NLA HA Hann. 155 Wunstorf

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Beschreibung: Bestand

Identifikation (kurz)

Titel 

Landes-Heil- und Pflegeanstalt Wunstorf

Laufzeit 

1870-1976

Bestandsdaten

Geschichte des Bestandsbildners 

Die Geschichte des Landeskrankenhauses (LKH) begann im Jahre 1757 mit der Einrichtung eines Lazarettes für Kranke und der Entstehung einer Kaserne für Soldaten 1787.

Im Juni 1880 erfolgte die Einrichtung einer Korrektionsanstalt zu Wunstorf, die bereits 1883 durch die Landarmenanstalt erweitert und zwei Jahre später in die "Provinzialkorrektionsanstalt zu Wunstorf" umbenannt wurde, in der es neben dem Männerlazarett auch eine Pflegeabteilung für weibliche Kranke gab. Ebenfalls 1885 wurde die Anstaltskirche gebaut. Im Jahre 1896 wurde eine Irrenabteilung für anstaltsbedürftige Geisteskranke eingerichtet, seit 1905 wurden auch Lungenkranke im Hause versorgt.

1908 wurde die Korrektionsanstalt zu Wunstorf aufgelöst und die Sträflinge wurden nach Moringen verlegt. Es erfolgte eine Aufnahme von so genannten Landarmen (Müßiggänger, Landstreicher, Trunkenbolde, ledige Mütter) mit dem Ziel, diesen festen Halt zu geben und ihnen zu einem ordnungsgemäßen Leben und Arbeiten zu verhelfen. Zugleich wurde die Einrichtung in "Landarmenhaus der Provinz Hannover zu Wunstorf" umbenannt.

Im Jahre 1909 wurde ein Hilfskrankenhaus zur Versorgung von Soldaten erbaut. Im Jahre 1911 entstanden für die Patienten im Keller Arbeitsräume als Vorläufer der heutigen Arbeits- und Beschäftigungstherapien. Nachdem die bisherigen Leiter alle ausgediente Offiziere gewesen waren, erhielt die Anstalt 1915 zum ersten Mal einen Arzt als Leiter.

1918 erfolgte ein Wechsel des Klientels hin zu vorwiegend bettlägerigen und schwer gebrechlichen Kranken (Patienten mit körperlichen und geistigen Schwächen oder Krankheiten). Es kam zu einer Umwandlung in eine Pflegeanstalt mit Krankenhauscharakter. Diese wurde 1922 offiziell als "Provinzial-Pflegeanstalt Wunstorf" und ab 1930 als "Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt Wunstorf" bezeichnet, die auch Geisteskranke zur Heilung und Pflege aufnahm.

In der Zeit des Dritten Reiches erlebte die Einrichtung das dunkelste Kapitel ihrer Geschichte. 1933, wenige Wochen nach der Machtergreifung des nationalsozialistischen Regimes, wurde das "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" erlassen. Es erlaubte die zwangsweise Sterilisation psychisch Kranker und geistig Behinderter. 1938 erließ der Reichsminister des Inneren die besondere Unterbringung jüdischer Geistekranker, die räumlich getrennt von Patienten deutschen und/oder "artverwandten Blutes" untergebracht werden mussten.

Das Euthanasie-Programm, das heißt die bewusste Herbeiführung des Todes der Patienten, wurde von Hitler 1939 eingeleitet. "Lebensunwertes" Leben sollte vernichtet werden (z.B. unheilbar Geisteskranke und geistig belastete oder körperlich missgebildete Kinder). Im Jahre 1940 ordnete der Reichsminister an, jüdische Patienten und Patientinnen des norddeutschen Raumes in die "Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt Wunstorf" zu verlegen. Diese Maßnahme wurde im September des Jahres mit der Verlegung von 158 jüdischen Kranken umgesetzt, die schließlich alle den Tod fanden.

Im April 1941 wurden die ersten Kranken (59 Männer und 24 Frauen) aus Wunstorf nach Hadamar verlegt, die sieben Wochen später tot waren. Zwei weitere Transporte erfolgten am 18. Juli (45 Kranke) und am 1. August (49 Männer und 27 Frauen). Einige Kranke sind verstorben, einige wurden von Klinik zu Klinik verlegt, scheinen allerdings in eine Vergasungsaktion nicht mit einbezogen worden zu sein. Insgesamt wurden 212 von 690 Wunstorfer Patienten unter dem Vorwand "planwirtschaftlicher Verlegung" nach Hessen verlegt, von denen 95 mit Sicherheit in Hadamar vergast wurden.

Im September 1941 wurde die Heil- und Pflegeanstalt Wunstorf aufgelöst. Stattdessen wurde ein Provinzial-Jugendheim eingerichtet.

Vorlage des Textes: 125 Jahre Nds. Landeskrankenhaus Wunstorf (s.u.)

Stand: Juni 2011 (redaktionelle Überarbeitung Mai 2015)

Zur weiteren Geschichte der Einrichtung vgl. das Vorwort zum Folgebestand Nds. 330 Wunstorf.

Bestandsgeschichte 

In den vorliegenden Bestand Hann. 155 Wunstorf sind bislang neun Ablieferungen eingegangen. Erste Übernahmen von Akten der Vorgängereinrichtungen des Landeskrankenhauses (LKH) Wunstorf erfolgten 1984. 1993 wurden alle Patientenakten, die vor dem 31.12.1953 geschlossen worden waren, vom LKH an das damalige Hauptstaatsarchiv Hannover abgegeben. Die Ablieferung umfasste Akten der ehemaligen Provinzialkorrektions- und Landesarmenanstalt bzw. des Landesarmenhauses (inkl. Zugangsbücher/Receptionsjournale), Akten der Heil- und Pflegeanstalt Wunstorf (inkl. Zugangsbücher) sowie Akten des LKH Wunstorf. Da die übernommenen Akten fast nur die Vorgängereinrichtungen des LKH betrafen, wurden sie als Acc. 30/94 dem Bestand Hann. 155 Wunstorf sowie als Acc. 31/94 dem Bestand Hann. 154 Wunstorf hinzugefügt. 1995 wurde die Acc. 30/94 nochmals nachkassiert. Nur eine knappe Auswahl von Krankenakten (Auswahl nach Anfangsbuchstaben des Familiennamens) wurde zur Dokumentation der Arbeit der Einrichtung behalten und später anderen Akzessionen (Acc. 2001/119, Acc. 2004/065 und Acc. 2008/070) zugeführt.
Eine erhebliche Zahl an Patientenakten (circa 1000 Stück) aus der Zeit vor 1945 (beginnend im Jahr 1893) befindet sich jedoch im Bestand NLA HA Nds. 330 Wunstorf (Acc. 2004/133)

Stand: September 2015

Enthält 

Allgemeine Verwaltung, Personalia, medizinische und allgemeine Versorgung der Patienten, Sippentafeln

Literatur 

Werner Schrödter, Historischer Rückblick, masch. [1980].

Niedersächsischer Sozialminister (Hg.), Niedersächsisches Landeskrankenhaus Wunstorf. Festschrift zum 100-jährigen Bestehen, Hannover 1980.

Asmus Finzen, Auf dem Dienstweg. Die Verstrickung einer Anstalt in die Tötung psychisch Kranker, Rehburg-Loccum 1984.

Ders., Das Ende der Anstalt. Vom mühsamen Alltag der Reformpsychiatrie, 2. Aufl. Bonn 1988.

125 Jahre Nds. Landeskrankenhaus Wunstorf, in: Haus- und Patientenzeitung druckreif Nr. 30/Juli 2005.

Heiner Wittrock, Niedersächsisches Landeskrankenhaus Wunstorf. Von der Korrektionsanstalt zum modernen Fachkrankenhaus (1880-2005), Wunstorf 2005.

Darstellung der Geschichte auf der Homepage des Krankenhauses (letzter Zugriff: Januar 2021)

Siehe

Korrespondierende Archivalien 

Hann. 154 Wunstorf (Provinzialjugendheim Wunstorf)
Nds. 330 Wunstorf (Landeskrankenhaus Wunstorf)

Weitere Angaben (Bestand)

Umfang in lfd. M. 

70,1

Bearbeiter 

Dr. Christian Helbich (2015)

Benutzung 

Bestände mit personenbezogenen Daten, Daten die dem Sozialgeheimnis, der ärztlichen Schweigepflicht oder vergleichbaren Rechtsvorschriften unterliegen, sind nicht für die Online-Recherche freigestellt. Sowohl Findmittel als auch Archivgut können auf der Grundlage eines Benutzungsantrags im NLA Hannover unter Berücksichtigung der Einhaltung von Schutz- und Sperrfristen nach §5 NArchG eingesehen werden.

Informationen / Notizen

Zusatzinformationen 

verzeichnet

Abgeschlossen: Nein. Der Bestand kann noch Zuwachs erfahren.

Georeferenzierung

Bezeichnung 

Wunstorf, Stadt [Wohnplatz]

Zeit von 

1

Zeit bis 

1

Objekt_ID 

3010

Ebenen_ID 

1

Geo_ID 

1-3010

Link 

Wunstorf, Stadt [Wohnplatz]